Liebe Mitglieder des Fördervereins St. Nikolai,

die Fenster von Johannes Schreiter leuchten. Sie haben ihr eigenes Licht. Die Fenster geben zu sehen. Sich selbst im Spiel ihrer Farben und Formen. Neu erfahren lassen sie aber auch den Raum in den Brechungen des Lichts, das durch sie fällt. Sie geben uns, die wir hereinkommen, Orientierung.

Ex oriente lux. Vom Orient, von Osten her bricht an das Licht. Das Licht des aufgehenden Tages, Licht im Schatten des Todes, das österliche Licht, Morgenglanz der Ewigkeit. Von West nach Ost ist der Kirchenraum ausgerichtet. Vom Einfall der Nacht hin zum Anbruch eines neuen Tages.

Wir kommen zur Ruhe, merken, sobald wir uns in der kleinen Kapelle im Osten unserer Nikolaikirche niederlassen, wie wir auf eigentümliche Weise in die Wendung nach Innen geraten. Was ist es nur mit meinem merkwürdigen Leben? Ich habe so oft das Gefühl, dass es mir gleichsam wie die Jahre, Tage und Stunden zwischen den Händen zerrinnt. Jetzt könnte es geschehen, dass ich intensiver spüre, was mir fehlt, mir schwer fällt, auf der Seele liegt. Ich aber auch neues Zutrauen fasse, Pläne erwäge, Ziele abstecke, für die nächste Woche und darüber hinaus.

Auch eine andere Frage bleibt: Was sollen wir tun? Worin habe ich versagt, bin ich schuldig geworden? Es geht um unsere Aufgaben und das, was zu erreichen wir uns vorgenommen haben. Vieles können wir tun für unser Glück und für andere, die unsere Zuwendung und Hilfe brauchen. Aber letzten Endes haben wir unser Leben nicht in der eigenen Hand. Es muss da immer noch etwas hinzukommen, das Entscheidende, das wir nicht machen können. Da ist Unverfügbares.

Tiefer erfassen können wir hier, was es mit unserem merkwürdigen Leben auf sich hat. Hinwenden können wir uns hier zu Gott, den kein Auge je gesehen, von dem wir deshalb auch keine Vorstellung haben, von dem wir uns kein Bild machen können – so wie Johannes Schreiter es auch vermeidet – und ohne den doch unser Leben nicht gelingen kann. Wir zweifeln immer wieder an seiner Gegenwart, fragen, ob es ihn überhaupt gibt, so wie es aussieht in dieser Welt. Und zugleich ahnen wir, dass es ohne ihn keinen Trost gibt in der Einsamkeit, keinen Beistand in letzter Gefahr, keine Hoffnung in der Nacht des Todes.

Gegenständliches zeigen die neuen Glasbilder in St. Nikolai nicht. Nicht die Gesichter, nicht die Leiber von Menschen, nicht ihr Elend, nicht ihr Glück. Keine Geschichte, wie sie die Bibel erzählt. Keines der Zeichen, die zur Symboltradition des Christentums gehören. Und doch kommt es im Spiel der Formen und Farben zu einem Drama, in dem wir uns mit unseren Lebensgeschichten, mit unseren Lebensentwürfen und dem Versuch, sie zu deuten, entdecken können. Licht von Osten, österliches Licht. Das uns erfüllt und einstimmen lässt in die Worte von Lothar Zenetti: „Mir ist ein Stein vom Herzen genommen: meine Hoffnung, die ich begrub, ist auferstanden, wie er gesagt hat, er lebt, er lebt, er geht mir voraus!“

Dass Ihnen dieses Licht entgegenkommt und Sie verwandelt, in unserer kleinen Kapelle oder anderswo, das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Liebe Mitglieder, wir freuen uns über die Menschen, die seit dem letzten Osterbrief unserem Verein beigetreten sind. Sie unterstützen unseren Verein in seinem langjährigen Bemühen die Nikolaikirche und ihr Inventar zu erhalten, „damit auch zukünftige Generationen Quellen ihrer Geschichte erfahren können“.

Die letzten Worte sind einem neuen Flyer entnommen, den wir entwickelt haben, um weiterhin Menschen für die Mitgliedschaft in unserem Förderverein zu gewinnen. Der Flyer liegt seit ein paar Wochen an unserer Info-Stele in der Kirche aus. Er ist auch diesem Brief beigelegt, und zwar – ich muss es gestehen – mit einem Hintergedanken. Es wäre doch eine großartige Sache, wenn jedes Mitglied im Jahr 2024 versucht, ein neues Mitglied zu werben. Ich habe da schon ein paar Kandidaten im Freundeskreis im Blick und merke, dass es eigentlich nur eines kleinen Impulses bedarf, um sie auf eine Mitgliedschaft anzusprechen. Vielleicht ist der Flyer ein solcher Impuls auch für Sie.

Wir danken in diesem Zusammenhang allen Mitgliedern, die ihren Mitgliedsbeitrag für das laufende Jahr bereits überwiesen oder uns eine Einzugsermächtigung erteilt haben. Die Spendenbescheinigungen versenden wir mit der Einladung zur Mitgliederversammlung.

Auch liegt der Flyer mit dem Vereinsprogramm für dieses Jahr bei. Die Gewölbeführungen mit „unserem“ Architekten, ein Vortrag über den Blattkamm der gotischen Chorschranken von der Restauratorin Lilian Münch und ein Einblick in die Entstehung der Schreiterfenster durch Henrike Schmidt versprechen interessant zu werden. Henrike Schmidt ist als Restauratorin im Glasatelier Peters (Paderborn) tätig, in dem unsere Fenster gefertigt wurden.

Den Abschluss bietet traditionell unsere Mitgliederversammlung am 7. September mit einer nach-mittäglichen Exkursion zur Kirche in Damgarten (Fenster von Thomas Kuzio) und zur Klosterkirche von Ribnitz. Wer bereits am Freitag in Stralsund weilt, sei auf zwei Konzerte der Festspiele M-V am Vorabend unserer Versammlung hingewiesen: um 19 Uhr „Die Kunst der Fuge“ mit dem SIGNUM saxophone quartet, Streichern des Franz Liszt Kammerorchesters, Sebastian Küchler-Blessing (Orgel) und Jörg Bittner (Lichtgestaltung); um 21 Uhr „Late Night Bach – Orgel und Live-Elektronik im Dialog“ mit Sebastian Küchler-Blessing (Orgel), Kaan Bulak (Live-Elektronik) und Jörg Bittner (Lichtgestaltung). Karten sind erhältlich über die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.

Im Namen des Vorstands mit den besten Wünschen für eine
gesegnete österliche Zeit

Ihr